„Einfache Gemeinde“ (englisch „Simple Church“) ist ein Begriff, welcher nun schon seit Jahren weltweit einen Glaubensstil beschreibt, welcher sich unabhängig von institutionellen Gemeinden entwickelt hat. In diesem Zusammenhang werden auch andere Begriffe wie „Organische Gemeinde“ oder „Hauskirchen“ verwendet. Mittlerweile haben sich Millionen von Christen dazu entschieden, die institutionellen Gemeinden zu verlassen, um ihren Glauben in ihren eigenen Häusern ursprünglicher und beziehungsorientierter zu leben. Doch was unterscheidet „Einfache Gemeinde“ eigentlich von den institutionellen Gemeinden oder anders gesagt:
Was unterscheidet „Einfache Gemeinde“ von der „Gemeinde, wie wir sie kennen“?
Rückkehr zu dem Ursprünglichen
Christen, die „Einfache Gemeinde“ leben, wollen sich bewusst den ursprünglichen Wurzeln der christlichen Gemeinschaft zuwenden, wie wir sie z. B. in der Apostelgeschichte berichtet finden. Damals gab es noch keine Institution, die sich „christliche Kirche“ nannte. Die Christen in dieser frühen Zeit trafen sich vornehmlich in Privathäusern und in den Vorhöfen des Tempels – bis dieser zerstört wurde. In den jüdischen Synagogen waren die Christen nicht gerne gesehen, daher konzentrierte sich das Gemeinschaftsleben der frühen Christen auf die privaten Treffen.
Zu diesen einzelnen Treffen kamen in der Regel eher kleine Gruppen. Dafür bildeten sich in einer Region oftmals eine ganze Anzahl solcher Haustreffen.
Innerhalb dieser ersten christlichen Gemeinde gab es keine hierarchischen Leitungsstrukturen. Die Leiter der damaligen Gemeinde befanden sich auf Augenhöhe mit den anderen Christen.
Nach der Auferstehung Jesu vergingen mehrere hundert Jahre, bevor sich eine hierarchische und institutionelle Kirche formte.
Gemeinschaft im Zentrum
Christen, die „Einfache Gemeinde“ leben, haben sich dieser diesem einfachen Glaubensleben neu zugewandt. Sie verzichten auf die Bildung institutioneller Gemeinden, den Bau hierarchischer Leitungsstrukturen und aufwendige Gottesdienstprogramme. Der Brennpunkt ihres Glaubenslebens ist die Gemeinschaft.
In erster Linie suchen sie die Begegnung mit Gott, im Gespräch mit ihm, im Bibelstudium, Anbetung und in vielen Arten der Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen.
Die wachsende Beziehung zu Gott führt sie ebenso in tiefe Begegnungen mit anderen Christen. Feste Programme und Zeitpunkte der Treffen sind keine unabdingbare Voraussetzung für diese Gemeinschaft. Vielmehr entwickelt sich die Gemeinschaft organisch und natürlich, und zwar in dem Maße, wie auch die Beziehung zu Gott und zu den Geschwistern wächst.
Innere Haltung statt neuer Formen
Das Gemeindeleben im Alltag und die Formen von „Einfache Gemeinde“ sind dabei so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Es geht ja nicht darum, wieder einmal eine bestimmte neue und „richtigere“ Form des Glaubenslebens zu finden. Es geht nicht darum, überall als „Einfache Gemeinde“ eine einheitliche Form der Treffen und der Gemeinschaft zu pflegen.
„Einfache Gemeinde“ ist keine neue Form, wie Gemeindeleben zu gestalten ist, sie ist der Ausdruck einer wachsenden und innigen Beziehung zu Gott und zu anderen Christen. Dieser Weg, Gemeinde zu leben, entspricht also eher einer inneren Haltung, die Beziehung zu Gott und zu den Weggefährten in den Mittelpunkt zu stellen. Die äußerliche Form dient daher nur der Unterstützung der Beziehungen. So unterschiedlich Beziehungen sind, so unterschiedlich werden auch die Formen sein.
Hausgemeinden und „Einfache Gemeinde“
Zu Beginn dieser Rückbesinnung so vieler Christen auf eine ursprünglichere Art des Glaubenslebens gab es eine Welle von Neugründungen von Hausgemeinden. Diese legten Wert darauf, dass nicht einfach die üblichen Gottesdienstprogramme in die Wohnzimmer ihrer Privathäuser verlegt wurden. Dennoch gab und gibt es auch solche Hausgemeinden, die genau das tun. Es gibt ja keinerlei feste Vorgaben, wie Hausgemeinde durchgeführt werden soll.
In den Hausgemeinden hat sich bald die Gewohnheit entwickelt, dass man sich vor Gebet und Lehraustausch zu einem gemeinsamen Essen traf. Dies ist ebenfalls eine Tradition, welche wir bei Jesus und seinen Jüngern finden können.
Auch wenn „Einfache Gemeinde“ oft mit Hausgemeinde gleichgesetzt wird, gibt es einen deutlichen Unterschied. Während Hausgemeinden dazu tendieren können (nicht unbedingt müssen) lediglich eine andere Form der Gemeinschaft zu leben, ist „Einfache Gemeinde“ keine neue Form, sondern eine ursprüngliche Haltung von Christen den eigenen Glauben zu leben.
„Einfache Gemeinde“ leben
Wo Christen sich entschieden haben, „Einfache Gemeinde“ zu leben, finden wir eine offene und intensive Gemeinschaft. Die konkret gelebte Gemeinschaft tritt viel stärker in den Mittelpunkt und man stellt sich der Herausforderung, die Gemeinschaft mit anderen Christen konkret und bewusst anzustreben. Es wird nicht erwartet, dass diese sich durch das Zusammenkommen von Christen in organisierten Treffen – seien es nun Hausgemeinden oder auch institutionelle Gemeinden – quasi von selbst ergeben würde. Die Erfahrung zeigt, dass eine christliche Gemeinschaft, deren zentrales Element regelmäßige und organisierte Treffen ist, lange nicht die persönliche Tiefe erreicht wie eine bewusst gesuchte Gemeinschaft.
Eine weitere Herausforderung findet sich darin, diese bewusst gesuchte Gemeinschaft nicht nur auf rein menschlicher Ebene zu suchen. Es ist wichtig, gemeinsam Gott zu suchen und zu finden. Wenn Gebet, Anbetung und Bibelbetrachtung in einem Ablauf eines Treffens seinen festen Platz hat, steht man nicht wirklich vor dieser Herausforderung. Wenn es aber keinen festen Ablauf einer Begegnung unter Christen gibt, muss man sich auch hier bewusster dazu entscheiden, dem Gebet, Anbetung und der Bibelbetrachtung Raum zu geben. In dem Maße, wie jeder einzelne im Alltag mit Gott lebt, wird Gott auch im Zusammenkommen mit anderen Christen den entsprechenden Raum einnehmen.
Es zeigt sich, dass dies unter Christen, die sehr bewusst ihren Glauben leben, nicht wirklich schwer ist. Denn da ihr Glauben in ihrem Leben eine so zentrale Stellung einnimmt, drehen sich die Gespräche oft schnell ganz von selbst um Glauben, um Gott und die Bibel. Auch das Bedürfnis, miteinander zu beten und mit Gott zu leben, wird oft schnell gemeinsam empfunden und gemeinsam ausgelebt.
Es zeigt sich letztlich, dass ein Glaubensleben sich nicht erst durch gemeinsam gelebte feste Abläufe entwickelt, sondern dass diese christuszentrierte Gemeinschaft in Gebet und Bibelstudium sich aus dem gemeinsamen Bedürfnis, den christlichen Glauben zu leben entwickelt. So steht der eigene Glaube am Anfang der konkret gelebten Gemeinschaft und nicht eine festgelegte Form. So wird Gemeinde einfach und unkompliziert gelebt.
Ist die Haltung „Einfache Gemeinde“ zu leben im Leben und Herzen eines Christen verankert, äußert sich dies in einer ungeahnten Freiheit. Sie treffen sich auf allen möglichen Arten und in den unterschiedlichsten Formen. Sie haben auch die Freiheit, die Gemeinschaft anderer Christen innerhalb organisierter Gottesdienste und ähnlicher Treffen zu teilen. Sie haben innerlich den Paradigmenwechsel konkret vollzogen, dass nicht mehr die Form die Gemeinschaft ausmacht, sondern die konkrete Gemeinschaft über jeglicher Form steht. Das betrifft sowohl die Gemeinschaft mit Gott selbst als auch jene mit anderen Christen.
„Einfache Gemeinde“ und Leitung
Auch in der konkret gelebten Gemeinschaft der „Einfachen Gemeinde“ gibt es die Leiter, welche wir im Neuen Testament vorfinden: Älteste, Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer, etc.
Diese Leiter befinden sich auf Augenhöhe mit allen anderen Christen, die „Einfache Gemeinde“ leben. Ihre Anerkennung erhalten sie dadurch, dass sie sich in ihrer Diensthaltung und Befähigung als solche erweisen, nicht aber dadurch, dass sie als solche ausgebildet oder eingesetzt wurden (Was nicht bedeutet, dass eine Ausbildung auf theologischer Ebene überflüssig wäre). Oft üben solche Leiter ihren Dienst aus, ohne dass man sie offiziell mit solchen Titeln anredet oder bezeichnet oder sie solche Titel für sich suchen. In erster Linie geht es darum, dass Gott solche Leiter in seinem Leib berufen und befähigt hat. Es geht nicht wirklich darum, dass unter den Christen, die „Einfache Gemeinde“ leben, derartige Titel verteilt werden und die Leiter auf besondere Posten gestellt werden. Leitung konkretisiert sich eher durch gelebte geistliche Vaterschaft als durch Ausbildung und Einsetzung.
Vereinzelt ist es durchaus möglich, dass Leiter, welche z.B. apostolisch, als Lehrer oder als Evangelisten arbeiten, auch von diesem Dienst leben. Dennoch sind sie auch dann immer noch auf Augenhöhe mit allen anderen Christen.
„Einfache Gemeinde“ und Strukturen
Einfache Gemeinde will keine neue Konfession, Denomination oder Dachverband sein. Sie baut keine Gemeindehäuser oder Kirchengebäude und mietet diese auch nicht an. Es gibt keine bezahlten Mitarbeiter oder sonstigen initiierten Dienste. Somit gibt es keine Programme oder sonstigen Angebote, mit Ausnahme von einigen privaten Angeboten einzelner Geschwister aus dem Netzwerk. Diese handeln jedoch völlig freiwillig und eigenverantwortlich.
Alles funktioniert im Rahmen eines freiwilligen Netzwerkes, wo sich Einzelne einbringen und das Netzwerk eine Fülle an Informationen anbietet. Dabei geht es vorrangig darum, die Grundidee von „Einfache Gemeinde“ bekannt zu machen und Menschen damit in Verbindung zu bringen.