Von Bernd Wessel
Ohne Gemeinde ist man verloren und geht unter? Oder in Hausgemeinschaften streunen oftmals nur rebellische und psychisch labile Menschen umher? Das sind zwei Aussagen, die ich immer mal wieder höre und es mich drängt dazu etwas sagen zu wollen.
Ohne Gemeinde ist man verloren und geht unter?
Es ist richtig, dass Gott Gemeinschaft möchte, aber zuerst gilt diese Gemeinschaft zwischen den Menschen und Ihm. Gemeinschaft unter Christen ist auch wichtig, wird aber oft überbewertet. Ich bin nunmehr seit drei Jahren ohne inst. Gemeinde und bin noch nicht untergegangen. Im Gegenteil, mein Glaube ist gewachsen und stärker geworden und sogar freier.
Freier, weil ich keinem Kollektiv mehr folgen muss und ich ein unverhüllten Blick auf Jesus bekommen habe. Dogmen aus der inst.* Gemeinde, die zuvor mein Blick getrübt haben sind gewichen und siehe da es wurde Licht.
Das alles tatsächlich entscheidende ist die persönliche Beziehung zu Jesus und das man keine verletzte Opposition gegen inst.* Gemeinden inne hat. Ich habe auch heute noch gute Kontakte und Freundschaften zu Gemeinden und Werke.
Das was jedoch tatsächlich fehlt ist die Gebetsgemeinschaft oder die Hauskreisgemeinschaft, eine Gemeinschaft wo man sich anvertrauen kann und Hilfe und Unterstützung bekommt. Ich gebe zu, dass dies sehr schwer ist, da ich von Gemeinschaft eine bestimmte Vorstellung habe.
Gemeinschaft soll für mich nach dem Vorbild der Urgemeinde erfolgen, wo sie ein Herz und eine Seele waren und alles miteinander teilten. Die Liebe untereinander war so stark sichtbar und darin auch Gottes Vollmacht, das niemand sich zu nähern wagte. Ein zu hoher Anspruch?
Ich denke nicht, wohl eher ein verloren gegangenes Verhaltensmuster der ersten Liebe, welche sich dem Zeitgeist untergeordnet hat. Ich möchte aber Gemeinschaft erleben, die genauso funktioniert und ich halte es auch für machbar und möglich.
In Hausgemeinschaften streunen oftmals nur rebellische und psychisch labile Menschen umher?
Es ist richtig, dass auch wir solche Erfahrungen gemacht haben, aber ich denke nicht mehr als inst. Gemeinden dies auch erleben. Dort fällt es aufgrund der höheren Masse jedoch nicht so stark auf und ins Gewicht.
Rebellische Menschen sind oft verletzt und haben das Potenzial eine Gemeinschaft erheblich zu stören. Grade kleine Gruppen sind hier stärker gefährdet weil die Auswirkungen schneller durchschlagen. Leitende Personen sind da sicher schwer herausgefordert und nicht selten gehen solche Gruppen dann auch auseinander.
Ein weiteres Gefahrenpotenzial besteht auch in der Bibelauslegung und auch inst. Gemeinden sind da nicht ausgenommen, letztlich kommt es immer auf den Menschen an, der die Bibel auslegt und vermittelt, ob nun Theologe oder nicht.
Der Unterschied besteht in der Größe der Gemeinschaft und darin wie gut leitende Personen sich dagegen zur Wehr setzen können. Zugegeben, eine inst. Gemeinde hat den vermeintlichen Vorteil einer Struktur insbesondere einer Leitungsstruktur. Aber ich habe auch hier schon großes menschliches Versagen erlebt, es wird dann einfach vor den Mitgliedern verschwiegen oder runtergespielt.
Bleibt noch das Potenzial der „Normalos“, die durchaus vorhanden sind und sich auch organisieren, allerdings sind diese nicht so öffentlich vernetzt wie inst. Gemeinden, Werke und Denominationen. Sie sind oft für sich gehalten und sehen keine Veranlassung sich entsprechend zu vernetzen.
Das kann logisch sein, wenn man damit zufrieden und glücklich ist und für viele funktioniert das auch. Findet jedoch Fluktuation statt oder die Leute schwinden aus Altersgründen wird es schon problematischer. Daher bin ich auch für eine Vernetzung von Hausgemeinschaften in einer offenen Struktur ohne eine Denomination aufrichten zu wollen.
Ich würde mir eine simple öffentliche Vernetzung wünschen, um so Möglichkeiten gegenseitiger Hilfen zugänglicher zu machen. Verschiedene Versuche und Angebote bestehen auch schon, aber es ist schwierig diesen Vernetzungsgedanken zu vermitteln.
Vielleicht bestehen diese Schwierigkeiten auch aufgrund der gegensätzlichen Vorurteile zwischen inst. Gemeinden und Hausgemeinschaften. Negative Erfahrungen auf beiden Seiten prägen das Gesamtbild und verhindern so eine fruchtbares miteinander.
Nur weil ich eine andere Form von christlicher Gemeinschaft erleben möchte, bin ich kein verlorener Christ und ich erlebe auch nicht, dass nur Rebellen Hausgemeinschaften besuchen. Ebenso denke ich auch nicht, dass inst. Gemeinden nur aufgrund ihrer Strukturen grundsätzlich nicht ok wären. Im Gegenteil, für viele Menschen ist die inst. Gemeinde ein echter Ort der Begegnung.
Wie können wir solche Vorurteile abbauen?
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* Inst. = institutionell